Wie der Mohr in´s Eisenberger Wappen kam...

Rainer Hohberg / 19.05.11 / Thüringer Allgemeine

Thüringer Sagengeheimnisse: So kam der Mohr nach Eisenberg

Viele Geschichten ranken sich um das Stadtwappen, das ein Mohrenkopf ziert. Am Ende handelt es sich wohl aber nur um die Verklärung einer Verwechslung.


Eisenberg. Neben dem schwäbischen Lauingen trägt auch die Ostthüringer Kreisstadt Eisenberg den Beinamen "Mohrenstadt". Der Grund ist, dass beide Städte das Bildnis eines dunkelhäutigen Mannes im Wappen führen. Derselbe, als muskelbepackte, exotisch gekleidete Figur dargestellt, ziert in Eisenberg überdies den ältesten Brunnen der Stadt.

Die Sage berichtet, dass der Eisenberger Mohr um ein Haar unschuldig sein Leben lassen musste. Zeichnung: Behrnau

Wie mag der Mohr ins Thüringische gelangt sein? Und wie kam er auf Siegel und Wappen? In der heraldischen Literatur wird dazu auf folgende Sage verwiesen. Ein Graf von Eisenberg hatte sich während der Kreuzzüge aus dem Heiligen Land einen Mohren mitgebracht. Dieser diente ihm viele Jahre ehrlich und treu. Doch eines Tages geriet er unter einen schlimmen Verdacht: Die Gräfin vermisste eine kostbare Kette; nur der Mohr konnte sie entwendet haben. Er wurde streng verhört, und obwohl er unter vielen Tränen seine Unschuld beteuerte, verurteilte man ihn zum Tode.

Die Gräfin, der die Worte des Dieners nicht aus den Kopf gingen, wollte darüber schier verzweifeln. Um Ruhe zu finden, griff sie nach ihrem Gebetbuch. Wie sie nun den schweren Folianten aufschlug, funkelte etwas zwischen den Blättern und fiel ihr zu Füßen. Das vermisste Kleinod! Entsetzt dachte sie daran, dass der Henker vielleicht schon sein grausiges Werk verrichtete. Doch im letzten Augenblick gelang es ihr, die Hinrichtung zu verhindern.

Um die Ehre seines Mohren wiederherzustellen, schenkte ihm der Graf daraufhin die Freiheit und nahm dessen Bild in sein Siegel und Wappen auf. Die Kopfbinde sollte daran erinnern, dass er schon mit verbundenen Augen vor dem Henker gestanden hatte. Diese Erzählung geht auf die "Holzlandsagen" von Kurt Kress aus dem Jahre 1870 zurück. Die Sage vom Sieg der Gerechtigkeit ist so schön und sinnreich, dass sie bis heute zumeist für wahr gehalten wird.

Dem steht aber entgegen, dass man über denselben Mohren eine ganze Reihe anderer Überlieferungen finden kann. So hatte man ihn nach der Eisenberger Chronik von 1843 nicht wegen Schmuckdiebstahls verurteilt, sondern weil man ihn eines "verbotenen Verhältnisses" mit der Gräfin verdächtigte. In einer weiteren Version rettet der Mohr im Heiligen Land Markgraf Dietrich den Bedrängten, indem er ihn in einem Weinfass vor seinen Feinden verbirgt.

In einer 1838 gedruckten "vaterländischen Sage" bringt der treue Mohr die Leiche des getöteten Grafen ins Schloss zurück und gewinnt hier das Vertrauen der Gräfin. All die Geschichten bezeugen vor allem eines: Die Fantasie der alten Eisenberger.

Am Ende wohl nur eine Verwechslung
Ihre Mohrensagen sind fraglos nachgeschobene Erklärungen, die entstanden, als das Wappen längst existierte, doch niemand mehr wusste, aus welchem Grund es einstmals mit dem symbolischen Mohrenkopf verziert worden war. Diese heraldische Frage ist bis heute ungeklärt. Es gibt die Vermutung, dass sich an seiner Stelle ursprünglich ein schwarzer, runder Helm befand, der bei einer Neugestaltung des Wappenbildes versehentlich als Mohrenkopf dargestellt wurde. So ähnlich verhält es sich übrigens auch in Lauingen. Der dortige Wappenmohr geht auf ein verfälschtes Porträt des Kaisers Barbarossa zurück.

Die Eisenberger Mohrensagen sind in gedruckter Form seit Beginn des 19. Jahrhunderts bekannt. Bei ihrer Entstehung hat möglicherweise ein Phänomen der Barockzeit Pate gestanden: die sogenannten Hof- und Kammermohren.

In Samt und Seide herausgeputzte dunkelhäutige Kutscher und Lakaien, Kindermädchen und Musiker waren an den Fürstenhöfen damals große Mode. Man kaufte sie für teures Geld aus Übersee, bildete und erzog sie sehr sorgfältig.

Mohren zu besitzen, galt den absolutistischen Herrschern als Inbegriff von höchstem Luxus. Ob sich den auch das unter chronischer Geldnot leidende Mini-Herzogtum Eisenberg leisten konnte, ist allerdings zu bezweifeln. Vielleicht erfand man sich hier, da man keinen Mohren besaß, eines dieser faszinierenden exotischen Mannsbilder einfach in der Sage.

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